Gastbeitrag: ICH MACH DANN MAL RAMADAN

Wie der Krieg in Syrien mein Leben veränderte, mich zu meiner großen Liebe und zum Ramadan führte

Als ich vor 3 Jahren entschloss mich vor Ort in der Flüchtlingshilfe zu engagieren, ahnte ich nicht im entferntesten, wie es mich und mein ganzes Leben verändern würde.

Nach nicht einmal einem halben Jahr, hab ich den Job an der Universität an den Nagel gehängt, den ich seit meiner Ausbildung ausübte und  meine Tätigkeit bei der zuständigen Sozialbehörde im Team für Migration aufgenommen. Hier arbeite ich ausschließlich mit oder vielmehr für die Menschen, die aus Kriegsgründen aus Ihrem Heimatland Syrien geflohen sind. Ich habe also täglich, zum einen mit sehr vielen Menschen, in meinem Fall mit sehr vielen muslimischen Menschen, deren Leben, Leiden und vor allem Kultur und Mentalität zu tun. Zugegebenermaßen habe ich mich schon immer für fremde Länder, Kulturen und Religionen interessiert. Das ich jedoch mal so hautnah an Menschen einer anderen Kultur, Religion und auch zum Teil Weltanschauung bin, hätte ich mir nie zu träumen gewagt.

Naja und rund um diese Tätigkeit die für mich mehr Berufung als Beruf ist, habe ich meinen Freund und engsten Gefährten kennengelernt.

Und da standen wir nun – Beide mitten im Leben – Ich Katholische Christin – Er, Moslembämmmmm

Irgendwann stand mein erster Besuch bei seiner Familie an und ich war wirklich sehr gespannt, wie sie mich aufnehmen werden und wie sie mit mir umgehen.

Keine Ahnung was ich zu diesem Zeitpunkt dachte, aber es erschien mir schon sehr offen,  dass ich überhaupt einfach so mitkommen durfte. Ja, das war so das Bild was ich zu diesem Zeitpunkt noch hatte.

Was ich aber dann erfahren durfte, war etwas was ich zuvor so in meinem Leben noch nicht erfahren hatte. Ich wurde liebevoller und warmherziger begrüßt und behandelt als ich es jemals zuvor bei einer anderen Familie erlebt hatte. Ich war sofort integriert, war im Geschehen mitten drin …kochen, lachen, singen, tanzen, diskutieren…Alles findet in Gemeinschaft statt und ja – Es gab mir das tiefste Gefühl der Zugehörigkeit.

Natürlich wurde auch ich beobachtet, natürlich hat man auch von mir so ein Bild – das Bild der Deutschen – gehabt. Aber man hat es kommuniziert. Man hat mir gesagt: „Du, ich dachte immer alle Deutschen sind so…“

Schon im letzten Jahr habe ich, quasi von außen miterlebt, wie der Ramadan in der Familie meines Freundes und auch in vielen anderen Familien gelebt wird. Und in mir ist das Bedürfnis entstanden, dieses Erlebnis selbst auch erfahren zu wollen.

Der Gedanke ans Fasten und ans Beten war mir natürlich durch meine eigene Religion vertraut. Auch in meiner Familie wird in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern gefastet. Gerade meine Großeltern Fasten jedes Jahr ihr Leben lang. Niemals würden sie sich das nehmen lassen und sie Fasten auch noch wie es sich gehört, mit Beten, Verzicht auf bestimmte Lebensmittel sowie Lebensmittel allgemein und Buße.

Jedoch empfinde ich das Fasten bei den Christen mittlerweile wesentlich lockerer. Jeder sucht sich sein Fastenziel aus und wenn es der Verzicht auf etwas ist, was letzten Endes kein Verzicht darstellt.

Als ich Ende letzten Jahres begann zu kommunizieren, dass ich Fasten werde, stieß dies zunächst bei der Mutter meines Freundes auf totale Freude. Die Brüder und der Papa hingegen, nahmen mein Vorhaben mit lächelndem Nicken zur Kenntnis. Jedoch hätte ich in diesem Moment gerne Gedanken lesen können. Denn, es war eher ein „Hihihi, das schafft sie im Leben nicht!“ Ich würde lügen, wenn ich abstreiten würde, das sich in diesem Moment eine leichte Wettkampfstimmung bei mir breit gemacht hat…

Aber Natürlich war das nicht der Grund warum ich Ramadan mitmachen wollte.

Nein ich wollte diese Erfahrung, ich wollte wissen, wie es sich anfühlt. Ich wollte wissen, wie es einen verändert und was es mit mir macht.

Viele meiner arabischen Freunde, haben mich, so war zumindest mein Gefühl, nicht ganz ernst genommen, selbst mein Freund hat bis zum Beginn nicht daran glauben wollen. Viele haben mich gefragt, warum ich das mache, schließlich bin ich keine Muslimin. Bei anderen hatte ich den Eindruck, sie denken, damit würde ich mich über sie lustig machen. Das war, bei Gott, nicht der Grund. Nein, ganz bestimmt nicht.

Alles in allem, muss ich sagen, ist es aber bei meinen muslimischen Freunden recht gut und durchweg positiv aufgefasst worden.

Irgendwann war er dann da, der 16.05.2018. Und nicht nur mein erster Ramadan begann sondern auch meine Erlebnisse der besonderen Art.

Da ich berufstätig bin, hatte ich schon zuvor mitgeteilt, dass ich ab dem 16. Mai zwar in der Pause anwesend sein werde, jedoch nichts mitesse oder trinke. Die Reaktionen darauf waren so vielfältig und bunt wie ein Regenbogen.

Auch hier zunächst mal, verhaltenes Lachen, mit großen Fragezeichen auf den Stirnen meiner Kollegen.

„Was hat sie denn jetzt, was ist mit ihr los, ist sie verrückt geworden, gar der IS beigetreten?„ “Arabisch redet sie ja schon, und der Freund- Araber…, ob man den Staatsschutz informieren sollte?“

Gut, noch war es ein Tag vor Beginn des Ramadan und sie beruhigten sich recht schnell wieder. Allerdings nur kurz, denn mit Beginn der Pause am nächsten Tag ging’s los.

Es wurden viele Fragen gestellt, was ich auch durchaus in Ordnung fand, solang sie sachlich waren. Ich habe gemerkt, dass viele tatsächlich Interesse daran hatten, wie es abläuft, was man darf und was nicht usw. Daran geglaubt, dass ich es durchziehe hat aber niemand. Viele meiner Kollegen kamen bis jetzt täglich in mein Büro und haben sich erkundigt, wie es mir geht, wie ich es empfinde, ob ich tatsächlich noch Ramadan mache.

Viele andere aber haben mich durch ihre Fragen, Äußerungen und Kommentare regelrecht verletzt.

Ja, verletzt!

Hätte ich so auch nicht gedacht, aber ich habe mich so sehr mit diesem Thema im Vorfeld auseinandergesetzt und es verinnerlicht, dass mich diese Menschen plötzlich damit verletzten konnten.

Denn, es ist ja nicht nur ein Angriff auf mich bzw. meine Person, sondern auch auf die Tatsache, dass ein Glaube, eine Religion angegriffen wird. Die Religion des Menschen den ich liebe, seiner Familie und vielleicht auch irgendwann die meine, die meiner Kinder.

Ich kenne das auch im Bezug auf meine Religion und das Ausleben meiner Religion. Auch da wird man belächelt oder erntet teilweise regelrecht Hohn wenn man sagt, „ich gehe in die Kirche oder ich glaube an Gott.“ Und das trifft, ganz tief im Herzen.

Irgendwie scheint es „out“ zu sein, an Gott zu glauben.

Es kamen so viele Fragen,  so viele Äußerungen. Angefangen von „Möchtest du jetzt Muslimin werden?“, “Wann trägst du denn jetzt Kopftuch?“ über „Hat die Hirnwäsche schon stattgefunden?“

Selbst meine Migräne, die ich schon seit der Pubertät in regelmäßigen Abständen bekomme, war nach einstimmiger Diagnose meiner Kollegen, plötzlich auf das Fasten zurückzuführen. Ich frag mich nur, wer all die Jahre zuvor Schuld daran war?

Was ich aber im Laufe der Tage bemerkt habe, war, dass die, tatsächlich täglichen Fragen, dazu geführt haben, dass ich immer selbstbewusster damit umgegangen bin. Ich habe mich dann auch mal getraut Gegenfragen zu stellen und mache Leute in Ihre Schranken zu weisen.

Eine Kollegin habe ich gefragt ob ich auch ein Problem damit haben darf, dass sie eine überdimensional große Buddhafigur auf ihrem Schreibtisch stehen hat, wo ich doch keine Buddhistin bin und sie doch schließlich Weihnachten feiert, nur weil es halt so schön ist? Antwort „ das ist Deko!“

Ja, Deko… wie so vieles . Weihnachten zu feiern, weil es schön ist und Geschenke gibt,  heiraten in der Kirche weil es feierlicher ist als auf dem Standesamt… irgendwie scheint das was für die einen Glaube bedeutet für viele andere nur noch Deko zu sein.

Zusammenfassend kann ich gegen Ende des Ramadan sagen, dass ich viele Erfahrungen reicher geworden bin. Ramadan bedeutet ja nicht nur das reine Fasten, es hat mir wieder gezeigt wie unterschiedlich wir Menschen ticken, wie eingefahren, starr und intolerant manche Menschen sind und wie viel Arbeit und Aufklärung auf diesem Gebiet notwendig ist um zu einem Miteinander zu kommen. Andererseits sind mir auch sehr viele Menschen begegnet,  die das spannend und toll finden und die Respekt haben.

Oft wurde die Frage gestellt, wie das denn so ist. Den ganzen Tag nichts zu essen oder zu trinken.

Dazu kann ich sagen, was das Essen angeht, ist es mir nicht schwer gefallen. Das trinken hat mich gerade zu Beginn und auch zwischendurch an meine körperlichen Grenzen gebracht. Natürlich merkt man am Ende eines Arbeitstages, dass nicht nur die geistigen Akkus leer sind sondern auch die Physischen. Das zu leugnen wäre schlichtweg gelogen. Dennoch erlangt man dadurch eine gewisse Selbstbeherrschung und Disziplin.

Was schön daran ist, ist das man sich bewusst die Zeit zum kochen nimmt, was normalerweise total mit- bzw. nebenher läuft. Man freut sich aufs gemeinsame Essen und lässt sich einfach Zeit bei der Zubereitung, weil man sie einfach hat. Die Zeit! Zeit zum Reden, Denken, Essen, Entschleunigen, Beten, zum Miteinander.

Irgendwie ist es mir vorgekommen als seien die Tage länger, da man sich mehr Zeit für alles nimmt.

Es war für dieses Mal eine sehr, sehr bunte Erfahrung, die mir gezeigt hat, dass gerade wir jungen Leute zu unserer Religion stehen und diese auch kommunizieren sollten.

Das Fasten hat mir die Erkenntnis darüber gebracht, wieviel mir Gemeinschaft dann doch bedeutet. Eigentlich dachte ich dass ich das garnicht zu sehen brauche. Aber das Gefühl sich zu treffen, beisammen zu sein, in der gleichen Situation zu sein wie viele andere…

Zum anderen die Erkenntnis, dass es scheinbar, wie bei vielen anderen Dingen auch, unheimlich wichtig zu sein scheint, aufzustehen und zu sagen: Ja Leute, ich mach das, auch wenn ihr damit scheinbar ein Problem habt. Ich stehe zu mir, meinem Glauben zu Gott und in diesem Fall dazu „Ramadan“ zu mitzumachen. Gezeigt hat es mir auch, dass es noch viel zutun gibt. Speziell die Aufklärung untereinander – auf beiden Seiten – Um Akzeptanz und Toleranz auf allen Ebenen zu erreichen.

Ich tue mir etwas schwer mit dem Begriff  „hip“ in Verbindung mit Glaube aber ich denke wir sollten dafür sorgen, dass Glaube wieder etwas „hipper“ wird und sich die die Glauben, nicht dafür schämen sondern offen dazu stehen.

Im diesem Sinne Eid Mubarak ❤️

Eure Christine

6 Gedanken zu “Gastbeitrag: ICH MACH DANN MAL RAMADAN

  1. Mashallah kann ich dazu nur sagen, möge Allah dich beschützen. Super geschrieben und wundervoll das du das mit uns geteilt hast ✨❤️🙏🏽

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  2. Ajat ich lieeeebe dein Blog ♥♥♥♥

    Liebe Claudi super toller Text,mögest du deinen persönlichen richtigen Weg finden.
    Einfach so schön geschrieben♥

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  3. So interessant!
    Habe selber schon darüber nachgedacht mit meinem Freund und seiner Familie Ramadan zu machen.
    Es ist einfach eine Erfahrung wert 😊

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